60 % der Senioren nutzen Komplementärmedizin

Michael Teut

In einem Survey hat unsere Arbeitsgruppe die Inanspruchnahme von Komplementärmedizin (CAM) durch Senioren in Berlin und Brandenburg erfasst. Dazu wurden erstmalig auch Senioren mit gesetzlicher Betreuung einbezogen. Es wurden Daten von Senioren im Alter von 70 Jahren und älter durch einen Fragebogen erfragt oder aus der Pflegedokumentation erhoben. Dabei wurden drei mögliche Bereiche der Wohnsituation von Senioren berücksichtigt: selbständig, ambulant betreut und Senioreneinrichtung. Unter Anwendung standardisierter Fragebögen wurden soziodemographische Daten, die Nutzung von CAM und nichtmedikamentöse Therapien (CAM-Therapien), zugrunde liegende Diagnosen und Bezugsquellen erhoben. Die nicht betreuten Senioren  gaben zudem Auskunft über ihre Erwartung an die verwendeten CAM, die empfundene Wirksamkeit, Einschätzung der Nebenwirkungen und Information des Arztes über die Anwendung von CAM.

Über 800 Fragebögen wurden ausgegeben und 400 Senioren antworteten (Rücklauf: 51.7 %).  Die Senioren stammten aus gleichen Anteilen aus den Bundesländern Berlin und Brandenburg. Sie gehörten drei Subgruppen „selbständig lebend“ (n=154), „ambulant betreut“ (n=97) und „in einer Senioreneinrichtung“ lebend (n=149) an. Das Durchschnittsalter betrug 81.8 Jahre (SD=7.4). Drei Viertel (78.5%) waren weibliche Teilnehmer.

61.3% der Senioren nutzten mindestens ein CAM. Insgesamt verwendeten sie vorwiegend Nahrungsergänzungsmittel (35.5 %), Pflanzenheilkunde (33.3%) und naturheilkundliche Externa wie z.B. Salbe und Öle (26.8%). Die Senioren mit gesetzlicher Betreuung nutzten ausschließlich ärztlich verordnete Nahrungsergänzungsmittel, am häufigsten Calcium und Vitamin D. Von der Einnahme erwarteten die CAM Nutzer eine deutliche (44.9%) oder milde (37.1%) Verbesserung ihrer Beschwerden. Über die Hälfte der Nutzer (58.7%) beschrieb eine gute und 6% keine Wirkung von CAM. Es wurden überwiegend Herz-Kreislauf-Erkrankungen (26.8%), chronische Schmerzen (24.5%) und Magen-Darm-Erkrankungen (14.0%) als Grund für die CAM Nutzung angegeben.

Nur ein Viertel (25.8%) wurde ärztlich verschrieben, die restliche Einnahme erfolgte auf Empfehlung (31.3%) oder aus Eigeninitiative (27.3%).  57.9 % gaben an, Risiken und Nebenwirkungen der Präparate nicht einschätzen zu können. Die Mehrheit (64.9%) der Befragten würde eine Kombination aus CAM und konventioneller Medizin für ihre Behandlung bevorzugen.

Die Nutzung von Komplementärmedizin durch Senioren ist hoch. Die meisten naturheilkundlichen Präparate werden ohne Information des Hausarztes eingenommen.

Publikation: http://www.biomedcentral.com/1471-2318/14/38