Archiv der Kategorie: Studie

Die Bauch Hypnose: Wirksame Hilfe bei Reizdarmsyndrom

Bauch Hypnose bei Reizdarm

von Dr. med. Michael Teut

Das Reizdarmsyndrom betrifft weltweit 11,2  % der Menschen. Es liegt vor, wenn länger als drei Monate Bauchschmerzen, Blähungen und Stuhlveränderungen vorliegen, der Betroffene Hilfe sucht, seine Lebensqualität beeinträchtigt ist und keine anderen organischen Erkrankungen die Beschwerden erklären.

Menschen, die stärkere Beschwerden verspüren, sind häufig von den medizinischen Hilfsangeboten enttäuscht, nachdem der Gastroenterologe durch Sonografie, Magen- und Darmspiegelungen und Blut-/Stuhluntersuchungen andere Erkrankungen ausgeschlossen hat, stehen sie häufig ratlos da, weil eine gute Therapieempfehlung fehlt.

Die Therapie sollte individualisierend erfolgen, das bedeutet, auf die Symptome und den Kontext des Betroffenen angepasst werden.  Mögliche und wissenschaftlich gesicherte Therapiemaßnahmen sind:

  • Ernährungstherapie – Identifizieren und Weglassen auslösender Nahrungsmittel
  • Anwendung von Probiotika (Zuführen von Darmbakterien)
  • Anwendung von Ballaststoffen – z.B. Indische Flohsamenschalen
  • Phytotherapeutika, z.B. Pfefferminzöl, Kümmelöl (bei Schmerzen)
  • Loperamid oder Cholestyramin (bei Durchfall)
  • Trizyklische Antidepressiva in niedriger Dosierung (nur Erwachsene)
  • Macrogol – osmotische Laxantien (bei Verstopfung)
  • Psychologische Maßnahmen – Verhaltenstherapie, Schulungen, Hypnose

Vielen Betroffenen ist noch unbekannt , dass eine der in Studien wirkungsvollsten Therapien die medizinische Hypnose ist.

In bislang 22 Studien wurde die Wirksamkeit der Hypnose beim Reizdarmsyndrom untersucht. Alle Studien zeigten deutliche Beschwerde-Verbesserungen, eine Metaanalyse von 8 randomisierten kontrollierten Studien zeigte einen großen Effekt.

Für die Studien wurden spezielle hypnotherapeutische Therapieprogramme entwickelt, am häufigsten angewendet werden das North-Carolina-Protokoll oder das Manchester-Protokoll, in den entsprechenden Studien erfuhren über 70 % der Patienten eine Verbesserung ihrer Beschwerden.

Das North-Carolina-Protokoll besteht aus 7 aufeinander aufbauenden bis zu einstündigen Hypnose-Sitzungen innerhalb von drei Monaten, die darauf abzielen:

  • Die Aufmerksamkeit auf die Beschwerden zu verringern
  • Die Bauch-Wahrnehmungen zu verändern und mehr positive Empfindungen wahrzunehmen
  • Das Wohlfühlen und die Gesundheit zu intensivieren
  • Die Empfindlichkeit des Darmes für Störungen zu reduzieren
  • Die natürliche Darmfunktion und den Verdauungsrhythmus wieder herzustellen

In der Hypnose wird, neben allgemeiner Entspannung und Trance, mit inneren Bildern und Metaphern (Geschichten) gearbeitet.

Die Therapie sollte mindestens 6-7 Sitzungen umfassen, damit sich die Wirkung angemessen entfalten kann.  In Studien zeigte sich eine deutlich besser Wirksamkeit der längerfristigen Therapiesitzungen. Audio-Aufnahmen der Hypnose-Übungen sind wichtige Hilfsmittel, um die Übungen zu Hause umzusetzen. Auch für Kinder mit mit Reizdarmsyndrom bietet sich die Hypnose, z.B. in Form von Phantasiereisen und -geschichten, als nebenwirkungsarme und entspannende Therapiemöglichkeit an.

Literatur:

  • Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie: Link https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-016.html
  • Palsson OS: Irritable Bowel Syndrome. In: Handbook of Medical and Psychological Hypnosis. Edited by Gary R. Elkins. Springer Publishing Company, New York 2017
  • Schaefert R, Klose P, Moser G, Häuser W. Efficacy, tolerability, and safety ofhypnosis in adult irritable bowel syndrome: systematic review and meta-analysis. Psychosom Med. 2014 Jun;76(5):389-98. Link: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24901382
  • Gulewitsch MD, Schlarb AA. Comparison of gut-directed hypnotherapy and unspecific hypnotherapy as self-help format in children and adolescents with functional abdominal pain or irritable bowel syndrome: a randomized pilot study.  Eur J Gastroenterol Hepatol. 2017 Dec;29(12):1351-1360. Link: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29023318

 

 

Naturheilkunde-Ratgeber für die Pflege zum Download

Michael Teut

Etwa die Hälfte aller Senioren in Berlin und Brandenburg wenden naturheilkundliche Therapien an, wie wir in einer großen Umfrage-Studie herausgefunden haben (Link), viele Senioren wünschen sich mehr Naturheilkunde und weniger konventionelle Medikamente. Eine Ursache dafür ist, dass Senioren in ihrer Kindheit noch die Medizin mit wenigen Medikamenten aber viel Selbsthilfe von ihren Eltern  kennengelernt haben, und diese Tradition gerne weiter führen (mehr dazu: in einer weiteren Studie).

Viele naturheilkundliche Selbsthilfestrategien kann man sehr gut in die Pflege einbauen: Das macht Pflegekräften Freude und den Patienten tut es gut. Vor allem Kneipp Therapien erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit im Pflegeheim, wie wir in einer weiteren Studie festgestellt haben (Factsheet, Publikation)

Um Angehörige und Pflegekräfte zu unterstützen, haben wir nun gemeinsam mit dem Zentrum für Qualität in der Pflege einen kostenfreien Ratgeber verfasst, den Sie hier downloaden können.

Achtsames Gehen hilft gegen Stress

Michael Teut

In einer aktuellen randomisierten kontrollierten Studie mit 74 Teilnehmern konnte unsere Arbeitsgruppe an der Charité belegen, dass 2 x wöchentlich durchgeführtes achtsames Gehen über insgesamt 4 Wochen gegenüber keiner Teilnahme an einem Programm (Wartliste) zu einer deutlichen Reduktion von Stressbelastungen und zu einer Zunahme an Lebensqualität führt. In unserer Studie waren auch nach 12 Wochen noch deutliche Effekte nachweisbar.

Eingeschlossen wurden nur Menschen, die an einer starken Stressbelastung litten. Das einstündige Gruppentraining bestand aus  40 Minuten Walking, 10 Minuten achtsamen Gehens (insbesondere das Beobachten von Empfindungen beim Gehen und Atembeobachtung) und einer kurzen Feedbackrunde.

Innerhalb einer Walking-Gruppe lässt sich das Programm kostengünstig und einfach umsetzen (ca. 80 Euro für insgesamt 8 Termine je Teilnehmer). Gerade für Unternehmen und Betriebe wäre achtsames Gehen eine einfache und gut geeignete Methode, Fitness zu fördern und Stress entgegen zu wirken.

Die Original-Studie ist hier einsehbar (Open Access).

Schröpfen bei Kniegelenksarthrose

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Michael Teut

Das Schröpfen ist eine der ältesten bekannten Therapien und wird schon in den Schriften der Antike geschildert. Dabei wird unter einem Schröpfgefäß thermisch (durch Abkühlen erhitzter Luft) oder mechanisch (Pumpvorrichtung) ein Vakuum über der Haut erzeugt, auf der das Schröpfgefäß aufgesetzt wird, dadurch wird in der entsprechenden Haut Blut gestaut, es kommt zu einer kurzfristigen Schwellung und Rötung. Nach Absetzen des Schröpfgefäßes kann (selten) ein Hämatom übrig bleiben. Es handelt sich um eine Reiz-Reaktionstherapie über die Haut.

Unsere Forschungsgruppe an der Charité fragte sich vor einigen Jahren, ob Schröpfen auch nützlich bei Schmerzen und Funktionsstörungen bei Kniegelenksarthrose sein könnte. Hierbei werden in der normalen medizinischen Versorgung Schmerzmittel, Kortisonspritzen, Physiotherapie oder im fortgeschrittenen Falle auch der operative Gelenkersatz angewendet.

Als Partner für eine Studie konnten wir die Firma Hevatech gewinnen, die als schwäbischer Familienbetrieb moderne Schröpfgeräte herstellt und einen innovativen und flexiblen Schröpfkopf aus elastischem Kunststoff mit Silikonrand herstellt, der das gesamte Knie umfasst (s. Abbildung). Dieser wird über einen Schlauch an eine Pumpe angeschlossen, die pulsierend ein Vakuum über der Haut erzeugt (Pulsatile Schröpftherapie). In unserer randomisierten Studie mit 40 Patienten testeten wir dann die Therapie gegen eine Wartelistenkontrolle: Patienten wurden über 4 Wochen zweimal wöchentlich pulsatil geschröpft (Knie sowie zusätzlich unterer Rückenbereich), die Kontrollpatienten erhielten keine Therapie, beide Gruppen durften jedoch bei Bedarf Paracetamol als Schmerzmittel einnehmen.

Das Resultat war für unser Forschungsgruppe überraschend: Es zeigt sich eine deutliche und statistisch signifikante Schmerzlinderung, eine Funktionsverbesserung und eine Zunahme der körperlichen Lebensqualität bei den behandelten Patienten. Die Effekte schwächten sich nach Ende der Therapie etwas ab, aber auch nach 3 Monaten lag noch ein deutlicher Unterschied zu Gunsten der Therapie vor. Alle Patienten der Kontrollgruppe erhielten nach Ablauf der Studie die Therapie ebenfalls kostenfrei. Eine Limitation der Studie ist, dass nicht gegen eine aktive Therapie, z.B. Physiotherapie, verglichen wurde, so dass hier nicht klar ist, ob Schröpfen auch besser im Vergleich zu anderen Therapieangeboten ist.

Ein klarer Vorteil des Schröpfens ist die Therapiesicherheit, gefährliche Nebenwirkungen treten so gut wie nie auf, eine Schröpfbehandlung dauert nur 10 – 15 Minuten und kann sogar, nach entsprechender Einweisung, auch vom Patienten selbst durchgeführt werden. Mittlerweile gehört die Schröpftherapie bei Kniegelenksarthrose zu meiner Routinetherapie bei Kniegelenksarthrose.

Referenzen:

Publikation der Studie in der Fachzeitschrift BMC Complementary and Alternative Medicine

Charité Hochschulambulanz für Naturheilkunde Mitte (Termine zum Schröpfen)

Herstellerfirma Hevatech (Schröpfgerät + Schröpfköpfe)

Akupunktur spezifisch wirksam bei allergischer Rhinitis

Prof. Benno Brinkhaus und Kollegen von der Charité berichten in einer hochrangig publizierten Studie in der Fachzeitschrift Annals of Internal Medicine, dass Akupunktur bei Allergischer Rhinitis wirksam ist. In der dreiarmigen randomisierten Studie wurden insgesamt 422 Patienten eingeschlossen.

Verglichen wurden die Effekte von Akupunktur + Notfallmedikation gegen Scheinakupunktur + Notfallmedikation gegen Notfallmedikation alleine.

Akupunktur war in Bezug auf die Lebensqualität und den Verbrauch von Notfallmedikamenten der Scheinakupunktur und Notfallmedikation-Alleine-Gruppe alleine nach 8 Wochen statistisch signifikant überlegen, allerdings wird diskutiert, inwieweit der Effekt klinisch relevant war.

Die Studie ist auch insoweit spannend, als es die erste von der DFG geförderte komplementärmedizinische Studie in Deutschland ist.

Zur Publikation

Benno Brinkhaus, Miriam Ortiz, Claudia M. Witt, Stephanie Roll, Klaus Linde, Florian Pfab, Bodo Niggemann, Josef Hummelsberger, András Treszl, Johannes Ring, Torsten Zuberbier, Karl Wegscheider, Stefan N. Willich; Acupuncture in Patients With Seasonal Allergic RhinitisA Randomized Trial. Annals of Internal Medicine. 2013 Feb;158(4):225-234.