Archiv der Kategorie: Komplementärmedizin

Schröpfen bei Kniegelenksarthrose

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Michael Teut

Das Schröpfen ist eine der ältesten bekannten Therapien und wird schon in den Schriften der Antike geschildert. Dabei wird unter einem Schröpfgefäß thermisch (durch Abkühlen erhitzter Luft) oder mechanisch (Pumpvorrichtung) ein Vakuum über der Haut erzeugt, auf der das Schröpfgefäß aufgesetzt wird, dadurch wird in der entsprechenden Haut Blut gestaut, es kommt zu einer kurzfristigen Schwellung und Rötung. Nach Absetzen des Schröpfgefäßes kann (selten) ein Hämatom übrig bleiben. Es handelt sich um eine Reiz-Reaktionstherapie über die Haut.

Unsere Forschungsgruppe an der Charité fragte sich vor einigen Jahren, ob Schröpfen auch nützlich bei Schmerzen und Funktionsstörungen bei Kniegelenksarthrose sein könnte. Hierbei werden in der normalen medizinischen Versorgung Schmerzmittel, Kortisonspritzen, Physiotherapie oder im fortgeschrittenen Falle auch der operative Gelenkersatz angewendet.

Als Partner für eine Studie konnten wir die Firma Hevatech gewinnen, die als schwäbischer Familienbetrieb moderne Schröpfgeräte herstellt und einen innovativen und flexiblen Schröpfkopf aus elastischem Kunststoff mit Silikonrand herstellt, der das gesamte Knie umfasst (s. Abbildung). Dieser wird über einen Schlauch an eine Pumpe angeschlossen, die pulsierend ein Vakuum über der Haut erzeugt (Pulsatile Schröpftherapie). In unserer randomisierten Studie mit 40 Patienten testeten wir dann die Therapie gegen eine Wartelistenkontrolle: Patienten wurden über 4 Wochen zweimal wöchentlich pulsatil geschröpft (Knie sowie zusätzlich unterer Rückenbereich), die Kontrollpatienten erhielten keine Therapie, beide Gruppen durften jedoch bei Bedarf Paracetamol als Schmerzmittel einnehmen.

Das Resultat war für unser Forschungsgruppe überraschend: Es zeigt sich eine deutliche und statistisch signifikante Schmerzlinderung, eine Funktionsverbesserung und eine Zunahme der körperlichen Lebensqualität bei den behandelten Patienten. Die Effekte schwächten sich nach Ende der Therapie etwas ab, aber auch nach 3 Monaten lag noch ein deutlicher Unterschied zu Gunsten der Therapie vor. Alle Patienten der Kontrollgruppe erhielten nach Ablauf der Studie die Therapie ebenfalls kostenfrei. Eine Limitation der Studie ist, dass nicht gegen eine aktive Therapie, z.B. Physiotherapie, verglichen wurde, so dass hier nicht klar ist, ob Schröpfen auch besser im Vergleich zu anderen Therapieangeboten ist.

Ein klarer Vorteil des Schröpfens ist die Therapiesicherheit, gefährliche Nebenwirkungen treten so gut wie nie auf, eine Schröpfbehandlung dauert nur 10 – 15 Minuten und kann sogar, nach entsprechender Einweisung, auch vom Patienten selbst durchgeführt werden. Mittlerweile gehört die Schröpftherapie bei Kniegelenksarthrose zu meiner Routinetherapie bei Kniegelenksarthrose.

Referenzen:

Publikation der Studie in der Fachzeitschrift BMC Complementary and Alternative Medicine

Charité Hochschulambulanz für Naturheilkunde Mitte (Termine zum Schröpfen)

Herstellerfirma Hevatech (Schröpfgerät + Schröpfköpfe)

Möglichkeiten der Naturheilkunde bei Demenzen

Michael Teut

Der demographische Wandel ist in aller Munde.

Es wird befürchtet, dass durch die zunehmende Überalterung der Gesellschaft sich innerhalb der nächsten Jahrzehnte die Anzahl hochbetagter Senioren mit dementiellen Erkrankungen (derzeit 1,2 Millionen Betroffene) in Deutschland verdoppeln wird.

Für die Mehrzahl aller demenziellen Erkrankungen, allen voran die Alzheimer-Demenz, gibt es keine kausalen Therapiemöglichkeiten. Die bisher zugelassenen Medikamente zur Demenzbehandlung haben meist nur kleine Effekte auf Gedächtnis, Orientierungs und Alltagsfähigkeit, die auch nicht allzu lange anhalten. Gibt es hier Möglichkeiten aus der Naturheilkunde?

Eine Rechereche der Forschungsliteratur zeigt interessante Entwicklungen auf:

Derzeit am interessantesten ist der Wirkstoff Huperzin A, der aus der asiatischen Pflanze Huperzia serrata gewonnen wurde. Die Substanz ist eine Acetylcholinesterase-Inhibitor und zeigte in einer  Studie von 2011, die in der Fachzeitschrift Neurology veröffentlicht wurde, nach 11 und 16 Wochen eine Wirksamkeit auf das Gedächtnis bei einer Dosis von 400 mcg im Vergleich mit Placebo.

Ginkgo biloba ist in Deutschland als pflanzenheilkundliches Medikament zugelassen. Hierzu liegen in der Summe widersprüchliche Forschungsergebnisse vor. Es wird jedoch derzeit von den gesetzlichen Krankenkassen bei Patienten mit Demenz erstattet. Die Einnahme hilft offensichtlich aber nicht vorbeugend, wie mehrere Studien (Studie1 / Studie 2) gezeigt haben.

In Kräuterbüchern der Renaissance, z.B. bei Tabernaemontanus, werden immer wieder Pflanzen mit ätherischen Ölen aus der Familie der Lippenblütler zur Gedächtnisstärkung empfohlen. Tatsächlich zeigen einige kleine Pilotstudien eine Wirksamkeit von Melissentinktur und Salbeitinktur auf. Diese Studien wurden jedoch bislang leider nicht unabhängig wiederholt.

Eine Reihe von chinesischen oder japanischen Kräutermixturen zeigte ebenfalls in kleineren Studien Effekte, allerdings sind die Mischungen in Europa nur schwer erhältlich.

Zur Wirksamkeit der Homöopathie bei Demenz wurde bislang nicht geforscht.

Wie sieht es mit nichtmedikamentösen Verfahren aus?

Vorsichtig positiv bewertet wird insgesamt die Musiktherapie, z.B. zur Behandlung von Unruhezuständen. Bewegung und Sport wird häufig von Experten empfohlen, ist aber bislang in Bezug auf die Zielkriterien Gedächtnis, Orientierung und Alltagsfähigkeit nur unzureichend untersucht, gleiches gilt auch für die Massage.

Zur therapeutischen oder vorbeugenden Wirkung von Ernährung gibt es viele Querschnittsuntersuchungen, allerdings nur wenige Studien, die prospektiv und mit geeigneten Kontrollgruppen untersuchen, ob es tatsächlich einen Effekt gibt und wie hoch dieser ist.

Übersichtsliteratur:

  • Perry E et al.: Medicinal plants and dementia therapy: Herbal hopes for brain ageing? CNS Neuroscience & Therapeutics 2011; 17: 683-698
  • Howes MJ et al.: The role of phytochemicals in the treatment of dementia. Drugs Ageing 2011; 28: 439-468
  • Adams M et al.: Plants traditionally used in age related brain disorders – A survey of ethnobotanical literature. J Ethnopharmacol 2007; 113: 363-381
  • Kennedy DO et al.: The psychopharmacology of european herbs with cognition enhancing properties. Current Pharmceutical Design 2006; 12: 4613-4623
  • Olazara J et al.: Nonpharmacological therapies in Alzheimer Disease: a systematic review of efficacy. Dement Geriatr Cogn Disord 2010; 30: 161-178
  • Potter R et al.: A systematic review of the effects of physical activity on physical functioning, quality of life and depression in older people with dementia. Int J Ger Psychiatry 2011; 26: 1000-1011
  • Fratiglioni L et al.: Brain aging: lessons from community studies. Nutrition Reviews 201; 68 (Supll2): 119-127
  • Dementia Cochrane Group: www.dementia.cochrane.org

Zur Lage der Komplementärmedizin in Deutschland

In diesem lesenswerten Beitrag beschreibt Dr. Henning Albrecht, Geschäftsführer der Karl und Veronica Carstens-Stiftung, die Entwicklung der Komplementärmedizin in Deutschland und zeigt auf, dass die Hauptprobleme seit Jahrzehnten in fehlender politischer Anerkennung, fehlender öffentlicher Förderung der Wissenschaft  und fehlender politischer Einheit der Akteure liegt. Zugleich wird heute auf hohem wissenschaftlichen Niveau geforscht.

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