Archiv für den Monat: März 2013

Barfußlaufen – Besser für die Gelenke?

von Michael Teut

Es gibt im Laufsport einen neuen Trend: Weg von Hightech-Sportschuhen für viel Geld hin zu Barfußlaufen oder der Nutzung sehr einfacher Schuhe mit harter Sohle.

Hintergrund ist die Hypothese, dass durch die modernen Schuhe mit stoß-dämpfenden Sohlen Läufer sich eine ungünstige Lauftechnik aneignen, mit der Knie- und Hüftgelenke besonders belastet werden.

Mein persönlicher Praxistest des Barfußlaufens begann vor 2 Jahren, als ich durch  Joggen eine Patellarsehnenreizung am Kniegelenk entwickelte. Bei der Recherche nach vernünftigen Behandlungsmöglichkeiten stieß ich auf das Barfußlaufen und vertiefte mich in die Literatur hierzu. Der Praxistest folgte und ich joggte tatsächlich eine ganze Saison (von Mai bis Ende September) zunächst ohne Schuhe auf der Laufbahn eines Sportplatzes, dann ab Oktober mit sehr einfachen Sportschuhen mit sehr dünner Sohle weiter im freien Gelände.

Was habe ich dabei erlebt?

  1. Sobald man ohne Schuhe läuft, kann man nicht mehr mit der Ferse als erstes aufkommen, sondern man muss mit dem Vorfuß (Fußballen) zuerst auf dem Boden aufkommen, um die Erschütterungen aufzufangen: Ballengang statt Fersengang. Dadurch gewöhnt man sich einen leicht tänzelnden und angenehmen Laufstil an.
  2. Das Umlernen des Joggens geht mit einer Umstrukturierung der Fuß-, Bein und Rückenmuskulatur einher. Zunächst konnte ich nur  ca. 2-3 km überhaupt barfuß laufen und hatte danach jeweils einige Tage spürbaren Muskelkater, insbesonder in Waden und Gesäß. Nach etwa 2 Monaten hatte sich die Muskulatur an den neuen Laufstil gewöhnt und das Laufen wurde sehr viel einfacher.
  3. Die Fußsohlen haben sich nach einigen Wochen an die Belastungen gewöhnt und wurden abgehärtet. Sofern aber beim Laufen eine Verletzungsgefahr der Füße besteht sollte (Scherben, Dornen etc…) besser Schuhe mit flacher und harter Sohle tragen, auch Sandalen sind denkbar!
  4. Die Patellarsehnenreizung und andere Überlastungserscheinungen der Gelenke und Sehnen sind innerhalb weniger Wochen komplett verschwunden. Bei mir sind auch keine neuen Beschwerden (außer Muskelkater) aufgetreten.

Mittlerweile habe ich das Barfußlaufen immer wieder auch anderen Läufern mit Kniegelenkschmerzen empfohlen (Sehnenreizungen, Meniskusschäden). In den meisten Fällen habe ich positives Feedback erhalten. Ein Freund läuft wieder Halb-Marathon, wegen Meniskusschäden musste er zuvor sein Training über Monate unterbrechen.

Was ist das Fazit aus diesem Experiment? Barfußlaufen führt zu einem Umlernprozess, es wird ein komplett anderer Laufstil erlernt, der möglicherweise gesünder für den Bewegungsapparat ist.

Auch evolutionär wäre diese Hypothese theoretisch plausibel, da sich unser Bewegungspparat in der menschlichen Entwicklungsgeschichte beim Barfußlaufen (und nicht mit Hightech-Laufschuhen) ausgebildet hat und Laufen-/Rennen eine wichtige Bewegungsform für die Jagd war.

Diese Erfahrung wird mittlerweile auch durch Forschungsliteratur gestützt: In einer aktuellen Übersichts-Studie  berichten die Forscher Altman und Davis von der University of Delaware und Harvard Medical School, dass unter Läufern, die mit dem Vorfuß auftreten, im Vergleich zu Fersenläufern Verletzungen um den Faktor 2.5 weniger häufig vorkommen. Auch im mechanischen Modell ergibt das Barfußlaufen ein günstigeres Belastungsprofil der Gelenke. Allerdings belastet Barfußlaufen dafür mehr die Fußsohlen, die Achillesfersen und die Wadenmuskulatur. Es ist wissenschaftlich noch unklar, inwieweit dies auch mit Verletzungsrisiken einhergehen kann. Daher ist essentiell wichtig, das Barfußlaufen ganz langsam anzugehen und über Monate die Muskulatur neu zu trainieren. Insgesamt mangelt es aber bislang noch an großen und aussagefähigen klinischen Studien, die den Nutzen des Barfußlaufens in der Prävention und Therapie von Läufer-Krankheiten belegen oder widerlegen könnten

Mittlerweile hat auch die Sportschuh-industrie reagiert und bietet zunehmend „Barfußschuhe“ an. Dabei ist aus meinsr Sicht zu beachten, dass nicht die Schuhe den Effekt ausmachen, sondern der Laufstil. Barfußlaufen eignet sich vor allem zum Umlernen vom Fersenschritt zum Vorfußschritt. Den kann man natürlich dann auch mit jedem Sportschuh ausüben. Es ist noch nicht geklärt, ob die Barfußschuhe einen gesundheitlichen Nutzen über das Umlernen der Gehtechnik hinaus aufweisen.

Ich nutze mittlerweile ganz leichte Turnschuhe mit flacher, beweglicher und ungedämpfter Sohle, die eigentlich für den Kampfsport entwickelt wurden und mich im Ausverkauf nur 45 Euro gekostet haben. Damit laufe ich besser und zufriedener als je zuvor!

Literaturtipp:

Christopher McDougall: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt.

 Dies ist ein sehr inspirierendes Buch über die Entdeckung des Barfußlaufens bei den Tarahumara in Mexiko durch einen Läufer und Journalisten. Mit viel Hintergrundwissen und sehr spannend geschrieben.

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In diesem lesenswerten Beitrag beschreibt Dr. Henning Albrecht, Geschäftsführer der Karl und Veronica Carstens-Stiftung, die Entwicklung der Komplementärmedizin in Deutschland und zeigt auf, dass die Hauptprobleme seit Jahrzehnten in fehlender politischer Anerkennung, fehlender öffentlicher Förderung der Wissenschaft  und fehlender politischer Einheit der Akteure liegt. Zugleich wird heute auf hohem wissenschaftlichen Niveau geforscht.

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