Archiv für den Monat: Oktober 2014

Vegane Ernährung als Medizin

Michael Teut

Eine zunehmende Anzahl an Studien zeigt die präventiven und therapeutischen Vorteile einer veganen fettarmen Ernährung, die auf pflanzlicher Kost basiert und frei von Fleisch, Milch und Eiern ist. Vegane Ernährung wurde bis vor einigen Jahren von den meisten Ärzten noch als Außenseiter-Ernährung belächelt, seit jedoch das öffentliche Interesse an veganer und vegetarischer Ernährung steigt, werden auch mehr Studien durchgeführt, die den gesundheitlichen Nutzen untersuchen. Dabei haben bisherige klinische Studien beachtenswerte Ergebnisse gezeigt: Mit einer konsequenten fettarmen veganen Ernährung lassen sich Erkrankungen, die zum metabolischen Syndrom gehören, klinisch deutlich verbessern, in einer Vielzahl von Fällen sogar zurückbilden. Bislang durchgeführte Studien zeigen klinisch relevante Ergebnisse für Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht, Typ 2-Diabetes und koronare Herzkrankheit. Zudem erscheint der gesundheitliche Nutzen auch für andere chronische Erkrankungen plausibel. Im Folgenden fasse ich einige der allerwichtigsten Studienergebnisse zusammen:

Vegane Ernährung im Betrieb

In einer aktuelle Studie (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3701293/) mit 291 Teilnehmern, die zum US-Unternehmen GEICO gehörten und an Übergewicht und Diabetes litten, wurden mehrere Betriebs-Standorte zufällig einer fettarmen vegetarischen Ernährungsschulung oder einer Kontrollgruppe ohne zusätzliche Ernährungsschulung zugeordnet (Cluster-Randomisation). An den Betriebsstandorten, die der veganen Ernährung zugeordent wurden, wurden in den Kantinen optional vegane Mahlzeiten angeboten. Außerdem erhileten die Teilnehmer Vitamin B12 Supplemente. Teilnehmer, die die Schulung zur veganen Ernährungsumstellung erhielten, hatten nach 18 Wochen 2,9 kg abgenommen (Kontrollgruppe 0,06 kg), hatten ihren Gesamt-Cholesterinwert um 8,0 mg/dl gesenkt (Kontrollgruppe 0,01) und ihren HBA1C-Wert (Blutzucker) um Prozentpunkte gesenkt (Kontrollgruppe 0,08). Viel interessanter ist, dass diejenigen Patienten, die sich bis zum Ende der Studie vegan ernährten, einen viel höheren Benefit hatten: Sie verminderten ihr Körpergewicht um -4,3 kg, ihr Cholesterin um 13,7 mg/dl und ihren HBA1C-Wert um 0,7 Prozentpunkte. Daraus kann geschlossen werden, dass eine vegane Ernährungsschulung + Angebot im Betrieb den gesundheiltlichen Zustand der Arbeitnehmer klar verbessert.

Vegane Ernährung besser als Leitlinien-Ernährung bei Diabetes

In einer weiteren Studie von 2009 (http://ajcn.nutrition.org/content/89/5/1588S.long) wurde untersucht, ob fettarme vegane Ernährung in der Therapie von Menschen mit Diabetes Typ 2 der damals gültigen Ernährungsempfehlung (USA 2003) überlegen ist. 99 Patienten wurden per Zufall einer Schulung in veganer Ernährung oder der konventionellen Diabetes-Leitlinien-Diät-Empfehlung zugeordnet, es wurden je Gruppe 22 wöchentliche 1-stündige Ernährungsschulungen durchgeführt. In beiden Gruppen wurde nach 74 Wochen eine deutliche Gewichtsreduktion (vegan: -4,4 kg versus konventionell: 3,0 kg) sowie eine klare HBA1C-Verminderung (vegan: – 0,34 Prozentpunkte versus konventionell: 0,14). Das Gesamtcholesterin sank ebenfalls stärker in der veganen Gruppe. Diese Studie führte dazu, dass die US-amerikanischen Ernährungsempfehlungen für Diabetiker mittlerweile vegane Kost empfehlen.

Koronare Herzkrankheit

Dean Ornish zeigte in den 1990er Jahren mit seinem Lifestyle-Heart-Trial (http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=188274) , dass sich koronare Herzkrankheit durch fettarme vegetarische Ernährung, Ausdauersport, Stressreduktion, Rauchentwöhnung und psychosozialer Unterstützung stoppen oder sogar zurückbilden lässt. In einer weniger bekannten prospektiven Beobachtungsstudie von 1995 (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7500065 ) wurden 22 Patienten mit schwerer koronarer Herzkrankheit eingeschlossen, die sich strikt fettarm vegan ernährten. Bei den 11 Patienten, die das Programm bis zu Ende durchführten und deren Daten erhoben werden konnten, zeigte sich eine sehr deutliche Verminderung der Cholesterinwerte und ein deutlicher Rückgang der koronaren Verengungen. Leider wurde dieser vielversprechende Ansatz bislang nicht in großen randomisierten Studien überprüft.

Weitere gesundheitliche Vorteile

In den großen Adventisten-Kohortenstudien in Amerika (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4073139/ ) zeigte sich, dass Menschen, die sich vegan ernähren gegenüber Menschen, die einer vegetarischen Ernährung folgen, noch einmal deutlich weniger häufig an Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck und kardiovakulären Erkrankungen leiden. Allerdings kann aus Kohortenstudien keine Kausalität abgeleitet werden.

Vegetarische Diäten sind außerdem in der Lage, Bluthochdruck zu senken, allerdings ist hier noch unklar, ob vegane Ernährung zusätzliche Vorteile gegenüber vegetarischer Kost bringt (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24566947).

Die Risiken veganer Ernährung

Bei ausgewogener veganer Ernährung besteht das größte Risiko in einem Vitamin-B12-Mangel. Daher sollten Menschen, die sich langfristig vegan ernähren, eine Vitamin-B12-Präparat einnehmen. Die Versorgung mit Vitamin B12 und Eisen sollte von Zeit zu Zeit (z.B. einmal jährlich) durch eine Blutuntersuchung überprüft werden. Alle anderen Nährstoffe (z.B. Vitamin D, Calcium, Jod) lassen sich in aller Regel durch ausgewogene Ernährung abdecken.

Praktische Literaturtipps

Neal D. Barnard: The Get Healthy, Go Vegan Cookbook: 125 Easy and Delicious Recipes to Jump-Start Weight Loss and Help You Feel Great, 2010: Da Capo LifelongBooks

Neal D. Barnard: Dr. Neal Barnard’s Program for Reversing Diabetes , 2007: Rodale

Neal D. Barnard: 21-Day Weight Loss Kickstart: Boost Metabolism, Lower Cholesterol, and Dramatically Improve Your Health, 2011: Hachette Book Group

Caldwell Esselstyn: Prevent and Reverse Heart Disease. 2007: Avery